Ein Jahr ist es schon wieder her, dass ich mich auf die Reise nach Berlin machte, um erneut beim German Masters live vor Ort zu sein. Ein wunderbares Turnier, mit einer faszinierenden Atmosphäre und vielen Snooker-Stars praktisch zum Anfassen. Gut, ein Journalistenausweis ist da schon hilfreich und minimiert die Kosten ganz enorm.
Um so trauriger, dass ich in diesem Jahr nicht in Berlin sein und den Erfolg von Ding Junhui im Finale lediglich vor dem TV genießen konnte. Das Finale hielt nach dem 4:4 zum Midsession Intervall leider nicht das, was wir uns alle erhofft hatten. Zu schwach präsentierte sich Judd Trump in den entscheidenden Momenten und Ding siegte mit 9:5.
Andererseits lieferte der Chinese, der sein zehntes Ranglisten-Turnier gewann und damit mit Jimmy White gleichzog, gerade zu Beginn der zweiten Session nahezu perfektes Snooker ab und beeindruckte das nicht immer ganz fachkundig wirkende Publikum – so zumindest meine Empfindung – mit einer Lochquote von 94 Prozent.
Für Ding war es gleichzeitig der vierte Titel in dieser Saison. Und dies ist durchaus sehr beeindruckend, wenn man sich vor Augen hält, dass zuletzt Stephen Hendry in der Spielzeit 1990/91 dieses Kunststück gelang. Ich hatte vor ein paar Wochen schon die Frage aufgeworfen, ob der 26-jährige Chinese nicht vielleicht momentan der beste Spieler der Welt sei.
Aber diese Frage ist nicht zu beantworten. Kurze Zeit später begann Ronnie O’Sullivan seinen Siegeszug und schaut man auf die Weltrangliste, stehen da noch Neil Robertosn und Mark Selby. Wie dem auch sei, Ding Junhui spielt die Saison seines Lebens und es wäre kaum überraschend, sollte er sich den Titel bei der WM in Sheffield sichern – auch wenn ich nicht dran glaube.
Noch ein Wort zum Publikum: Da will ich nicht falsch verstanden werden. Schon bei meinen beiden Besuchen fiel jedoch auf, dass es eine Art Event-Publikum ist. Natürlich ist das legitim und es ist schön, dass die Main Tour in Deutschland Station macht. Es wirkt nur oft befremdlich, wenn viel Bewegung auf den Rängen ist und der Applaus oft an falschen Stellen ertönt.
Grundsätzlich sind viele Spieler begeistert von der Stimmung, wie es auch Judd Trump nach der Niederlage bestätigte. Natürlich bedankte sich auch Ding Junhui artig und ich schließe mich da an. Die fünf Tische, die große Halle und die komplette Sicht auf alle Matches sind besonders. Vielleicht dauert es auch noch ein wenig, bis Snooker in Berlin Normalität wird.
Weiter hat mich beeindruckt, dass viele der Stars früh die Segel streichen mussten. Bei einem Blick auf den Turnierbaum zeigt sich, dass im Achtelfinale nur fünf Spieler aus den Top 16 vertreten waren. Schön für das Publikum, solch eine Besetzung im Finale gesehen zu haben – auch wenn es im Endeffekt ein sehr einseitiges Endspiel war.
Denn Snooker lebt auch von den großen Namen. Shaun Murphy, Ronnie O’Sullivan, Judd Trump, Neil Robertson und wie sie alle heißen. Sicher hätte auch Ryan Day den Sieg im Halbfinale gegen Ding Junhui verdient gehabt. Aber wäre ein Finale zwischen Day und Rod Lawler ebenfalls als Publikumsmagnet durchgegangen?
Ich denke, es hätte enttäuschte Gesichter gegeben. Aber durch das Aufbrechen der Strukturen ist die Spitze breiter geworden. Ich hatte schon darüber geschrieben: Gerade bei kleineren Turnieren sind es Spieler aus der zweiten Reihe, die auf sich aufmerksam machen. Bei den UK Championship waren es – wenn ich mich recht erinnere – 14 Spieler im Achtelfinale, die aus den Top 16 kamen.
Auch ich habe mich gefreut, als dieses Finale feststand und ich sehe lieber Ronnie O’Sullivan am Tisch, als zum Beispiel Marcus Campbell. Dazu haben alle Leute, die sich für Snooker interessieren, eine Art Lieblingsspieler und Judd Trump wird wahrscheinlich mehr Fans haben, als Martin Gould.
Dennoch ist es schön, eine breite Palette an Spielern zu sehen, die es in der Vergangenheit nicht in den Fokus geschafft haben. Im nächsten Jahr kann meinetwegen auch passieren, was will. Allerdings habe ich trotzdem noch die Hoffnung, dass Matthew Stevens es eines Tages bis ins Finale schafft. Denn der Walisische Drache ist nunmal mein Lieblingsspieler.